Ich habe so etwas noch nie gemacht.. mich mehr oder weniger einer Öffentlichkeit im gewissen Maße anvertraut. Ich weiß auch nicht, ob das hier klappen wird, aber ich habe das Bedürfnis mit jemandem zu reden oder viel mehr noch einfach das los zu werden, ich möchte einfach das Gefühl haben gehört zu werden.
Ich bin 17 Jahre alt, weiblich und werde nächstes Jahr mein Abitur am Gymnasium absolvieren. Jeden Tag wird man einem enormen Leistungsdruck ausgesetzt, ich habe einen Schnitt von 1,5 , dennoch habe ich das Gefühl die Erwartungen nicht zu erfüllen, wessen Erwartungen ? Meine. Ich bin nicht gut genug. ich frage mich, wofür ich das alles mache. Ich könnte genauso gut nichts mehr tun und mein Leben leben, denn gute Leistungen UND sein Leben zu leben ist in der heutigen Gesellschaft quasi unmöglich. Hinzu kommt, dass wenn du einmal angefangen hast nur noch 1sen mit nach hause zu bringen, nichts anderes mehr von dir erwartet, vielleicht sogar nichts anderes mehr geduldet wird. Bei einer 2 fragt man dich, woran es lag, was los war. Doch wenn jemand mit einem durchschnittlichem 4er Zeugnis eine 2 schreibt, dann ist die Begeisterung groß, alle sind positiv überrascht, bestärken diesen Schüler und sind stolz.
Warum ich nicht gut genug bin ? Mir hat noch nie jemand das Gefühl gegeben gut genug zu sein.
Ich musste mich als Kind immer verbiegen, um Liebe und Aufmerksamkeit von meinem Vater zu bekommen. Er gab mir das Gefühl immer besser sein zu müssen, um von ihm geliebt zu werden.
Er machte Versprechungen, die er brach. Ich dachte es lag an mir, ich hatte diese Versprechen nicht verdient, ich war nicht gut genug. Jeden Tag ging ich weinend ins Bett, weil ich nicht so war, wie er es gerne hätte. Meine Mum nahm mich in Schutz, immer. Dann stritten sie, sie schrien sich an, weil ich versagt hatte.
Sie interessierten sich nicht mehr für mich. Sie waren mit sich beschäftigt.
Ich bekam Bauchschmerzen. Heute weiß ich nicht mal mehr, ob diese real waren oder nur dazu dienten Aufmerksamkeit von meinen Eltern zu bekommen. Ich ging Tage nicht zur Schule.
Und dann eines Tages ist er gegangen. Er war auf Kur, wegen seinem Burn outs, doch er kam nicht wieder.
Ich hörte meine Mum an Telefon, wie sie ihn unter Tränen anschrie. Er hatte sie betrogen.
Sie flüchtete sich in den Alkohol. Bekam nichts mehr mit, trank Tag und Nacht, lag nur im Bett.
Ich durfte mich also im Alter von 12 Jahren um meine zwei kleinen Brüder kümmern und den Haushalt schmeißen. zusätzlich musste ich noch allen Leuten erzählen, dass er ihr gut ginge und wir das hinkriegen.
Meine Verwandten wussten es, doch niemand verlor ein Wort darüber. Das war die Zeit, in der ich erwachsen wurde, es wurde mir einfach nicht erlaubt Kind zu sein.
Bis dahin für heute. Ich fühle mich nicht mehr in der Lage euch weiter zu erzählen.
Es befreit, aber es tut auch weh, verdammt weh.
Danke an alle, die bis hierhin gelesen haben.
Claire